Digitale Resilienz im Homeoffice


Wie können wir digital resilient von zu Hause aus arbeiten?

Viele Unternehmen, die wir begleiten, hatten Heimarbeit nur in Ausnahmefällen zugelassen. Seit 2020 ist dies nun genau anders herum: Es scheint fast die Ausnahme zu sein, wenn wir noch ins Büro kommen. So geht es gut 48% der Mitarbeitenden in großen Unternehmen, welche ihre Arbeit am Computer verrichten (DAK Studie, Feb. 2021). Für viele ist die neue Flexibilität hilfreich, doch zugleich bemerken sie: Das Homeoffice hat auch seine Herausforderungen.

  • Virtuelle Meetings finden am Stück statt. Es gibt kaum Pausen dazwischen.

  • Der schöne Café Talk in der Büroküche entfällt.

  • Kinder oder Mitbewohner:innen sind gegebenenfalls mit uns im gleichen Raum anwesend.

  • Wer nimmt eigentlich die Post entgegen? Wer geht zur Tür wenn es klingelt und wir im Meeting sitzen?

  • Privates und Berufliches verschwimmen.

  • Das Wohnzimmer fühlt sich wie das Büro an.

Dabei hat der Anteil virtueller Konferenzen erheblich zugenommen. Zwischen 2019 und 2021 hat sich unsere Zeit, die wir in virtuellen Konferenzen verbringen, mehr als verdoppelt.

Auch wenn viele Befragte sagen, dass sie im Homeoffice produktiver arbeiten können (2021), vermissen viele den Austausch mit anderen. Zudem sind schnelle Absprachen nicht immer möglich und es fehlt das informelle Wissensmanagement auf den Fluren, in Pausen, bei der Mittagszeit und beim Kaffeetrinken.

Was wir für unsere digitale Resilienz tun können

Tatsächlich gibt es einfache Dinge, die uns schon helfen können, den digitalen Stress (“Techno-Stress”) im Homeoffice zu senken. Viele davon sind einfacher, als wir denken:

  • Gestaltung des Heimarbeitsplatzes:
    Ein gut gestalteter Heimarbeitsplatz kann einen erheblichen Einfluss auf unsere Resilienz haben. Studien zeigen, dass ein ergonomischer Arbeitsplatz nicht nur körperliche Beschwerden reduziert, sondern auch die Produktivität steigert (Working from home experience, Fraunhofer-Studie 2020). Investieren Sie in einen bequemen Stuhl, einen höhenverstellbaren Schreibtisch und sorgen Sie für ausreichend natürliches Licht. Ein aufgeräumter und gut organisierter Arbeitsplatz kann zudem die mentale Klarheit fördern und Stress reduzieren. Nehmen Sie sich dafür jeden Tag Zeit – dies hilft auch, um Privates und Berufliches auseinander zu halten. Es kann zu einem guten Ritual werden, bevor Sie den Arbeitstag beenden. So können Sie gute Übergänge zum privaten Kontext schaffen.

  • Spazierengehen und Kontextwechsel
    Wenn wir nur noch von zu Hause aus arbeiten, fehlt uns die Reflexion und der Abstand zum Tagesgeschehen, die das Pendeln ins Büro ermöglicht. Spaziergänge vor und nach der Arbeit helfen uns dazu: Abgesehen von Bedeutung von UV-Licht für unser Wohlbefinden können wir so gezielter Abstand von der Arbeit gewinnen und uns mental “ein- und auschecken". Der Faktor, dass im Homeoffice die Grenzen zwischen Privat- und Berufsleben verschwinden, ist nicht zu unterschätzen. Wir nutzen Raum und Geräte (Laptop, Mobiltelefone) nun für alles. Dadurch sind die Übergänge fließend und wir haben Schwierigkeiten, abzuschalten.

  • Soziale Interaktion und Unterstützung
    Der Austausch mit Kollegen ist ein wichtiger Faktor für unsere digitale Resilienz. Eine umfangreiche Studie des ADP Research Institute zeigte, dass regelmäßige soziale Interaktionen und Unterstützung durch Kollegdie Stressbewältigung verbessern und die Zufriedenheit am Arbeitsplatz erhöhen. Planen Sie virtuelle Kaffeepausen oder informelle Video-Calls ein, um den sozialen Austausch zu fördern und ein Gefühl der Verbundenheit zu erhalten. Die Studie betonte ferner, dass Autonomie und die Möglichkeit, eigene Arbeitsmethoden zu wählen, die Resilienz fördern.

  • Begrenzen Sie die Arbeit
    Während der Pandemie haben viele Mitarbeitende mehr gearbeitet. Teilweise um Produktivität zu kompensieren und immer wieder auch, da sie keine Begrenzung der Arbeitszeit hatten (Frauenhofer Studie 2021). Stellen Sie sich Wecker, wann Sie spätestens die Arbeit beenden wollen. Nutzen Sie ggf. Zweitgeräte für die Arbeit und trennen Sie berufliche und private Kommunikation (E-Mails, Messenger, WhatsApp, Signal).

  • Schaffen Sie eine gute akustische Umgebung
    Eine der größten Stressquellen bei virtuellen Meetings ist die schlechte Tonqualität auf beiden Seiten: Einerseits können Sie durch die Verwendung eines einfachen Headsets oder Mikrofons bessere Bedingungen für andere schaffen, andererseits können Sie selbst für eine gute akustische Situation sorgen, indem Sie es vermeiden, Ihre Meetings in zu lauten oder halligen Räumen abzuhalten. Noch besser ist es, ein Headset zu benutzen, sich immer wieder vom Computer zu entfernen und regelmäßig aus dem Fenster zu schauen oder an die frische Luft zu gehen.

    Die Empfehlung lautet: Alle 20 Minuten für 20 Sekunden 20 Meter weit aus dem Fenster schauen. Die bereits erwähnte ADP-Studie hat gezeigt, dass die Fähigkeit, sich unabhängig von äußeren Einflüssen auf die Arbeit zu konzentrieren, entscheidend ist.

  • Entzerren Sie ihre Meetings
    Bitten Sie um Pausen oder um Verkürzung von Meetings, wenn Sie nahtlos aneinander terminiert sind. Wir alle benötigen Pausen um effektiv zu arbeiten. Die Faustregel lautet: Wir benötigen 15 Minuten für einen Kontextwechsel. Erst dann können wir uns auf Neues einlassen.

  • Vermeiden Sie Multitasking
    Studien aus Kalifornien zeigen uns, dass wir während der Pandemie gelernt haben, während virtueller Meetings noch eine Vielzahl anderer Dinge zu erledigen. Im Jahr 2022 betreiben demnach 52 % mehr Multitasking während virtuellen Meetings, als 2021. Multitasking ist höchster Stress für uns. Unsere Aufmerksamkeit ist unser höchstes Gut. Multitasking produziert das Gefühl, sehr beschäftigt zu sein. In Wirklichkeit werden wir jedoch unproduktiver.

Wenn wir denken, dass wir Multitasking machen, machen wir in Wirklichkeit Multiswitching. Darin ist unser Gehirn sehr gut – die Aufmerksamkeit schnell von einem Ort zum nächsten zu lenken. Wir denken, wir seien produktiv. Wir sind in der Tat sehr beschäftigt. Aber in Wirklichkeit machen wir uns nur zusätzliche Arbeit.
— Michael Harris
  • Fördern Sie “Deep Work”
    Unsere Fähigkeit wertschöpfend zu arbeiten, ist von besonderer Bedeutung. Wir können in tiefer Arbeit intellektuelle Ergebnisse hervorbringen, die von Gewinn für uns und unsere Organisationen sind. Die Voraussetzung dafür ist, dass wir uns aufmerksam in “tiefe Arbeit” begeben können. Dies ist nur möglich, wenn wir über eine längere Zeitspanne ungestört arbeiten können. Dies ist im Büro einer großen Organisation teilweise schwierig. Zugleich haben erste Firmen begonnen, “Meeting-freie” Tage einzuführen. Im Homeoffice sollte tiefe Arbeit grundsätzlich möglich sein, wenn ich nicht gerade kleine Kinder oder andere um mich herum betreuen muss.


    • Wenn es Ihnen möglich ist, blocken Sie sich Arbeitszeiten für tiefe Arbeit, in der Sie Konzepte, Artikel, usw. schreiben können.

    • Stimmen Sie “Deep Work” Zeitfenster im Team ab.

    • Stellen Sie Ihr Telefon in den Fokus- oder Flugzeug-Modus.

    • Schalten Sie sich auf “nicht erreichbar” bei Messengern wie Slack.


    Jetzt sind Sie dran: Wenn Sie alle externen Vorkehrungen geschaffen haben, um “tiefe Arbeit” zu verrichten, können nur noch Sie selbst sich bei der tiefen Arbeit ablenken.

    Nir Eyal betont in seinem Buch “Indistractable”, dass häufig nicht die Technologie und nicht die Social Media Plattformen an unserer Ablenkung schuld seien, sondern wir selbst. Etwa, wenn wir gelangweilt oder zu ungeduldig sind. Wenn dies eine Herausforderung ist, lesen Sie doch gerne in den Beiträgen zu Nomophobia und den Tipps für mehr digitale Resilienz dazu weiter.


 

Weitere Hinweise und Trainings

 

 

Nachweise und Literaturempfehlungen:

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